Langes Rheinufer von Mönchenwerth bis Werthhof
Das linksrheinische Meerbusch hat heute ein ungefähr 12 km langes Rheinufer, beginnend bei Rhein-km 749,3 zwischen Lörick und Büderich und endend zwischen Nierst und Krefeld-Uerdingen. Heute misst man von der Konstanzer Brücke aus. Die Rheinvermessung im 19. Jh. erfolgte in 10000m-Abständen von der alten Brücke in Basel aus. Sog. Myriameter-Steine (myria(gr.)=10000)dokumentierten die Entfernung von dort, die Entfernungen zu den nächsten Landesgrenzen rheinaufwärts (Hessen) und rheinabwärts(Holland) sowie die Höhe über dem Meeresspiegel(A.P.= Amsterdamer Pegel, heute N.N.=Normalnull ). In den Nähe des Löricker Schwimmbads steht der Myriameterstein LVIII, bei Nierst der hier abgebildete Myriameterstein LIX (das Denkmal Nr. 79 wird in einem eigenen Album auf den Seiten zu Nierst in dieser Galerie dargestellt). Von der alten Baseler Rheinbrücke aus gemessen waren es also 590 km bis zum Rheinufer auf der Höhe von Nierst und auf der anderen Rheinseite von Wittlaer. Während auf dem Nierster Myriameterstein die Schrift nicht mehr zu sehen ist, ist sie auf dem gegenüberliegenden Wittlaer Myriameterstein deutlich zu lesen. Der dortige Stein wurde zwar restauriert, nach der Restaurierung aber leider verkehrt herum (um 180 Grad gedreht) wieder aufgestellt.
Der Rhein ist seit Jahrhunderten Grenze und Brücke. Er prägt Landschaften und auch die Menschen. Ein eindrucksvolles Zeugnis für die Brückenfunktion ist die Fähre zwischen Langst-Kierst und Kaiserswerth. Bereits um 1300 wird hier ein "nauticus" (Fährmann) erwähnt. Seit dem Mittelalter wurden Personen, Waren, Treidelpferde und in der Neuzeit Autos von der linksrheinischen zur rechtsrheinischen Seite und umgekehrt transportiert. Ein "Kuriosum der früheren Kleinstaaterei" (Rudolf Böhne) war es, dass zeitweise zwei Fähren, eine rechtsrheinische (Herzogtum Berg) und eine linksrheinische (Kurköln) jeweils nur in eine Richtung Personen und Waren transportieren durften und wieder leer zurückfahren mussten.
Der Transport erfolgte zunächst auf sog. Schalden (= kleine Nachen), von 1825 bis 1950 auf einer Gierponte[/url]
(oder Gierfähre = "Fliehende Brücke") und ab 1950 mittels einer Motorfähre. Heimatforscher erinnern mit historischen Fotos, Fakten und Anekdoten immer mal wieder an die Geschichte vom 11. Jh. bis heute ("Geschichten um den Langster Fährkopf" Rhein. Post vom 13.3.2019).
Über die Rheinfähren und das Treideln in unserem Raum informieren die Schifffahrts-Museen in und Duisburg. Für die Fährverbindungen gab es in der Regel zwei Pächter für die Verbindung zu jeweils gegenüberliegende Seite, in Falle der Langst-Kierster Fähre lag sie für beide Richtungen früher bei einer Kaiserswerther Familie, erst in der Neuzeit bei einer Lanker Familie. Die Fähren hatten früher auch eine Asylfunktion und dienten - insbesondere in der Zeit der französischen Herrschaft - dem Schmuggel. Zum Treideln am Niederrhein können Sie durch Anklicken der Namen einen Aufsatz von Karl-Josef Schmitz und einen Vortrag von Ulrike Stursberg M.A.[/url] vom Düsseldorfer Schifffahrtsmuseum, gehalten vor dem Heimatkreis Lank e.V. am 16.10.2013, lesen.
Heute ist Meerbusch durch sichere Dämme gegen Hochwasser weitgehend geschützt. In früherer Zeit trat der Rhein immer wieder über die Ufer und bedrohte die Bevölkerung in Büderich und in den Rheingemeinden und zerstörten die landwirtschaftlichen Kulturen. Die Hochwasserstände lassen sich an den Markierungen am Haus Tourne in Langst ablesen. 1920 wurde die Schleuse nördlich des heutigen Flugfeldes zerstört. Mönchenwerth war im Winter oft nur mit dem Boot zu erreichen. Die Chroniken berichten aber auch von "Eisvergnügen". Im Winter 1941/42 sowie 1946/47 war der Rhein zugefroren, so dass man Kaiserswerth zu Fuß erreichen konnte.
In Schulchroniken, Erlebnisberichten, Tagebüchern (z.B. in denen des Büdericher Rektors Theodor Hellmich) wird darüber sehr anschaulich berichtet (s. Literatur).
Es spricht viel dafür, dass Emanuel Leutze das Meerbuscher Rheinufer (auf der Höhe von Ilverich und Langst) als Hintergrund für "Amerikas populärstes Gemälde" gewählt hat für das im Metropolitan Museum in New York hängende Bild "Washington Crossing the Delaware". Der in Deutschland geborene amerikanische Maler gehörte um 1850 zu den Düsseldorfer Malern und gab auch den Anstoß zur Stiftung des Düsseldorfer Künstlervereins "Malkasten". Und so titelt DIE ZEIT vom 19. Dezember 2013: "Washington überquert den Rhein. Amerikas populärstes Gemälde und seine deutsche Geschichte".
Aber wahrscheinlich müssen wir bei der Entstehung des Bildes weiterhin mit einer Unsicherheit leben.So jedenfalls sieht es der in Meerbusch lebende Kulturredakteur der Rheinischen Post, Bertram Müller, in seinem Beitrag "Der Rhein ist in die Kunstgeschichte eingeflossen" in der RP vom 30.August 2014 (S. D5): "Die schönsten Geschichten sind ja oft diejenigen, die zwischen Wahrheit und Dichtung liegen. So verhält es sich auch mit derjenigen um Emanuel Leutzes Gemälde "Washington überquert den Delaware". Leutze (1816-1868), ein in Deutschland geborener amerikanischer Historienmaler, hatte in Philadelphia Malerei studiert, war für kurze Zeit nach Deutschland zurückgekehrt und hatte sein Studium an der Düsseldorfer Akademie fortgesetzt. Daher zählt man ihn zur Düsseldorfer Malerschule. Leutzes berühmtestes Gemälde, die dreieinhalb mal sechseinhalb Meter große Darstellung des Generals und späteren US-Präsidenten George Washington, der mit seinen Leuten auf einem Boot den halb vereisten Fluss Delaware überquert und damit den Sieg über die britische Kolonialmacht vorbereitete, ist in den Vereinigten Staaten jedem Schüler aus Lehrbüchern bekannt. Der Pulitzer-Preisträger David Hacket Fischer wies in einem Porträt über Emanuel Leutze darauf hin, dass der Künstler das Bild in seinem Atelier in Düsseldorf gemalt und dabei offenbar Skizzen vom Rheinufer zwischen Ilverich und Langst-Kierst respektive vor Kaiserswerth verwandt habe. Bis heute gibt es dafür keine Beweise, doch abwegig ist die Vermutung nicht. Denn auch andere Künstler der Malerschule bedienten sich gern rheinischer Motive, wenn sie Landschaften ihrer Heimat in Szene setzten".
Der Rhein inspiriert auch immer wieder Kulturschaffende aus Meerbusch.
Zum Beispiel Meerbuscher Künstlerinnen wie Editha Hackspiel (Rheinische Post vom 4.August 2014) oder das "Lotumer Buretheater", das 1996 unter der Leitung von Karl Schmalbach die historische Mundartkomödie "Dä Rhinbaron" aufführte, eine Erinnerung an das große Hochwasser von 1920, über das der Büdericher Dorfschmied und Poet Peter Hink (1897-1972) einst schrieb:
"Ein Tor gähnt wie ein breiter Schlund.
Zerrissene Schollen starr im Rund;
und zwischen umgestürzten Quadern
trübe, gelbe Adern.
Ein Schlund, der Tod und Elend spie,
klafft leer und traurig in das Land.
Dein Schritt knirscht trübe Melodie:
Sand - Sand - Sand!
Das Haus am unterwühlten Wehr,
als wenn es lahm auf Krücken stand;
die Tür zerdrückt, die Fenster blind:
müde, stumm, leer"
(aus dem Programmheft "Lotumer Buretheater", Spielzeit Herbst 1996)
Youtube-Kanal des Düsseldorfer Schifffahrtsmuseums:
https://www.youtube.com/@schifffahrtmuseumduesseldorf
Lit.:
Franz-Josef Jürgens: Der Myriameterstein in Nierst. Wegweise auf der Deichkrone und Info-Schild am Stein aufgestellt, in: Dä Bott. Lanker Heimatblätter, Jahrgang 43/2016, S. 90
Klaus Hellmich: Hochwasser, Sturm, Schnee und Eis - aus den Tagebüchern des Rektors Theodor Hellmich, in: Meerbuscher Geschichtshefte, H. 29 (2012), S. 24 - 53
Reinhard Lutum: Der Myriameterstein in Meerbusch-Nierst und die Restaurierung 2004 - Meerbuscher Geschichtshefte, H. 21 (2004), S. 142 - 146
Reinhard Lutum und Rosemarie Vogelsang: Der Myriameterstein LIX zu Nierst - Baudenkmal Nr. 79 der Stadt Meerbusch, in: Hochwasserschutz im Lanker Rheinbogen. Festschrift zum Abschluss der Deichsanierung im Bereich des Deichverbandes Meerbusch-Lank, Meerbusch 2012, S. 51 - 55
Bertram Müller, Der Rhein ist in die Kunstgeschichte eingeflossen, Rheinische Post 30.8.2014, S. Düsseldorf D5
Roland D. Gerste, Washington überquert den Rhein, in: DIE ZEIT vom 19.12.2013, S. 19
Stefan Kronsbein: Der Lanker Rheinbogen im Spiegel historischer Karten, in: Hochwasserschutz im Lanker Rheinbogen. Festschrift zum Abschluss der Deichsanierung im Bereich des Deichverbandes Meerbusch-Lank, Meerbusch 2012, S. 351 - 360
Mike Kunze: Drei Deichbrüche bei Ilverich, in: Meerbuscher Geschichtshefte, H. 33, Meerbusch 2016, S. 120 - 126 (es handelt sich um die Deichbrüche von 1740, 1770 und 1920
Mike Kunze: Geschichten um den Langster Fährkopf, Rheinische Post 13.3.2019
Mike Kunze: Die Schützengräben am Langster Fährkopf, Rheinische Post 10.6.2020
Franz-Josef Radmacher: Einige herausragende Hochwasserereignisse in unserem Gebiet,in: Hochwasserschutz im Lanker Rheinbogen. Festschrift zum Abschluss der Deichsanierung im Bereich des Deichverbandes Meerbusch-Lank, Meerbusch 2012, S. 103 - 123
Robert Rameil: Rheinhochwasser und Eisgang in der Mitte des 19. Jahrhunderts - ein Erlebnisbericht von Carl Anton Schmitz, in: Meerbuscher Geschichtshefte, H. 24, Meerbusch 2007, S. 131 - 141
Hans-Peter Schletter, Patrick Jülich, Stefan Grasskamp: Der Lanker Rheinabschnitt - Eine Landschaft im archäologischen Fokus, in: Hochwasserschutz im Lanker Rheinbogen. Festschrift zum Abschluss der Deichsanierung im Bereich des Deichverbandes Meerbusch-Lank, Meerbusch 2012, S. 19 - 44
Walter Spoerle, Washington überquert den Delaware (Übersetzung des ersten Kapitels des Buches von David Hackett Fischer, Washington`s Crossing, 2004), in: Dä Bott, Lanker Heimatblätter 38/2011, S. 7-12, sowie: Der Maler Emanuel Gottlieb Leutze, ebenda S. 12f.
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