Verkehrserschließung (insbesondere durch die Rheinbahn)
(Blättern Sie zum Thema "Verkehrserschließung" auch im Album "Elektrifizierung")
Für die Verkehrserschließung des Meerbuscher Raums im vergangenen Jahrhundert spielte die Rheinbahn eine wichtige Rolle. Zwischen Düsseldorf und Krefeld fuhr ab 1898 die "erste elektrische Schnellbahn Europas". Die Bahnen von Moers und Krefeld kommend und über Meerbuscher Gebiet fahrend waren im 1. Weltkrieg für die Versorgung von Düsseldorf wichtige "Lebensadern". 1924 wurde zwischen Düsseldorf und Krefeld der "weltweit erste Straßenbahnspeisewagen" eingesetzt. Nach kriegsbedingten und rentabilitätsbedingten Unterbrechungen ist dieser Service erst 1989 wieder aufgenommen worden. Für die Böhlerwerke in Büderich war die Streckenführung der Bahn von existentieller Bedeutung. Die Verkehrserschließung des Meerbuscher Gebiets durch die Rheinbahn trug - neben der Eisenbahnverbindung über Osterath - zur Anbindung dieses Gebiets an die umliegenden Großstädte bei. Gleichzeitig gehört diese Verkehrserschließung zu den spezifischen Voraussetzungen für die lokale Entwicklung, für die Geschichte der Menschen, der Ortsteile und Siedlungen,der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie der landwirtschaftlichen und industriellen Produktionsbedingungen.
Mit dem Bau der Oberkasseler Brücke im Jahre 1898 waren die Voraussetzungen gegeben für eine Verkehrserschließung des linksrheinischen Gebietes durch die "Rheinische Bahngesellschaft" (heute: Rheinbahn). Die Gemeinden Büderich und Osterath wurden an Düsseldorf und Krefeld und mit einer gewissen Zeitverzögerung auch die Gemeinde Lank an Uerdigen und Moers angebunden. Es handelte sich dabei um eine "Fernbahn" mit einem eigenen Gleiskörper (Düsseldorf-Krefeld) bzw. um eine "Straßenbahn" mit Schienen entlang der Straße (Bahn nach Moers). Die Station "Meererbusch" war so etwas wie ein Knotenpunkt. Die Familie von der Leyen, Besitzer von Schloss Meer und des ab 1910 zur Gartenstadt entwickelten Geländes Meererbusch, hatte sich für eine entsprechende Trassenführung eingesetzt.
Neben dem Personenverkehr nahm auch der Güterverkehr an Bedeutung zu . Die Mobilität im Alltag und in der Freizeitgestaltung am Wochenende wurde verbessert, der Arbeitsplatz wurde schneller erreichbar, die Landwirtschaft erhielt neue Absatzmöglichkeiten. Die Rheinbahn beförderte Gemüse, Obst und Kleinvieh in Kisten und Körben schneller zu den Märkten in Düsseldorf als der eigene Pferdekarren (Jacobi/Zeh, S. 19). "Für die Versorgung der Düsseldorfer Bevölkerung war der von der Rheinbahn organisierte Milchverkehr von erheblicher Bedeutung" (Reimann, S. 177). Die "Büdericher Milchverwertungsgesellschaft" hatte ein eigenes Anschlussgleis, das angefahren wurde. Ab 1917 sind auf der Strecke Moers - Lank-Latum - Büderich - Lörick - Oberkassel umfangreiche Transporte von Rheinberger Kohle belegt, da die Preußische Staatsbahn kriegsbedingt Transportschwierigkeiten hatte. Gelegentlich wurde auch Zucker von Uerdingen nach Oberkassel transportiert. Die Moerser Strecke wurde in den 20er Jahren durch Anschlussgleise der Lanker Ringofenziegelei (zwischen Lank-Latum und Strümp) und des Kalksteinwerks Schmitz in Lank-Latum aufgewertet. Frachtkunden kamen hinzu oder fielen weg. Vermutlich wurden auch in dieser Zeit der Stückgutverkehr zu den Stationen in Büderich, Osterath und Fischeln eingestellt. Für die Kohlefahrten bestand ab Anfang 1925 schon kein Bedarf mehr, weil die infolge von Reparationsleistungen bestandenen Transportengpässe der Reichsbahn nicht mehr bestanden. Die Lage änderte sich wieder im Zweiten Weltkrieg. 1940 wurden die Kohletransporte von der Zeche Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort über Moers - Uerdingen - Lank-Latum - Büderich nach Oberkassel und zu den Düsseldorfer Stadtwerken in Flingern wieder aufgenommen. Wagenladungen gingen auch an die Boehler-Werke.
Wie es unterwegs so auf der Bahnfahrt durch Lank nach Moers zuging, beschreibt Mike Kunze in der Rheinischen Post vom 20.11.2020 unter der Überschrift "Als durch Lank die Bimmelbahn fuhr" (mit dem Foto von einer Haltestelle in Lank).
Der Wagenbestand wurde je nach Bedarf erweitert.Zeitweilig wurden sogenannte "Kombiwagen" für Personen und Güter eingesetzt, die die bis dahin an die Personenzüge angehängten "Kolliwagen" ersetzten.
Sogenannte "Speisewagen" waren ein besonderer Komfort im Personenfernverkehr. Heute fahren solche "Bistro-Wagen" zu bestimmten Zeiten wieder auf der Strecke Düsseldorf-Meerbusch-Krefeld.
Soweit ein Blick in die Literatur und in die Archive. Aber gibt es auch bauliche Denkmäler, die an diese Verkehrserschließung erinnern? Als historische Zeugnisse für die Verkehrserschließung durch die Rheinbahn können die ehemals vollfunktionsfähigen "Bahnhöfe" mit Fahrkartenschalter, Warteräumen, Personal für Signal- und Gleisanlagen u.s.w. gelten. Für die Osterather Station ist belegt, dass dort 1898 ein "Stationsvorsteher" eine Dienstwohnung mit Frau und 6 Kindern bezog. Erinnerungen von Wilhelm Hüttermann-Hegermann an den Büdericher Bahnhof haben wir im dortigen Album festgehalten.
Solche Bahnhöfe stehen noch heute vor den Böhlerwerken auf der Grenze zwischen Lörick und Büderich, am Landsknecht in Büderich, in Meererbusch/Büderich und in Hoterheide/Osterath. Die drei letztgenannten und auf Meerbuscher Gebiet liegenden Bahnhöfe sind heute Gaststätten ("Alte Kastanie" am Landsknecht, "Haus Meer" bei der Gartenstadt Meererbusch und "Stellwerk" in Hoterheide.
Diese Bahnhöfe gehörten von Anfang an zum neu entwickelten Verkehrsnetz der Rheinbahn auf Meerbuscher Gebiet. Für die Abzweigung von Meererbusch durch Lank nach Uerdingen und Moers haben wir auf Meerbuscher Gebiet keine solche "Stationen" gefunden. Wir kennen lediglich die Namen der Haltestellen, die weitgehend auch noch heute existieren: Strümp/Dorf, Lank/Ossumer Straße, Lank/Hauptstraße und Lank/Hülser. Die "Straßenbahn" fuhr von Meererbusch aus rechts der Straße bis kurz vor Strümp, wechselte dort auf die andere Straßenseite. Der Seitenwechsel war durch Warn- und Blinklichter gesichert. Im Volksmund heißt die Stelle heute noch "die Weiche".
Die Fotos in diesem Album stützen folgende Zusammenfassung:
Unmittelbar nach Fertigstellung der Oberkasseler Brücke wird die Fernbahn "A" vom Ratinger Tor in Düsseldorf über Oberkassel, Lörick, Büderich, Osterath, Fischeln nach Krefeld eröffnet. 1901 wird die Strecke Meererbusch - Lank - Uerdingen in Betrieb genommen (zunächst mit vier dampfgetriebenen Lokomotiven, kurz darauf wird die Strecke elektrifiziert). Sie erhält die Liniennummerierung "C". Diese Linie wird in den nächsten Jahren schrittweise verlängert und erreicht 1911 Moers. Beide Linien erhalten im Jahr 1937 neue Kennzeichen: Die "K" fuhr nach Krefeld und die "M" nach Moers. An der Bahnstation "Meererbusch" konnte man umsteigen und in vier Richtungen fahren: Nach Krefeld, Düsseldorf, Moers oder Neuss. Auf dem Gelände zwischen der Bahnstation und dem ehemaligen Schlossgelände der Familie von der Leyen ist noch heute ein Stück Schiene der "M"-Bahn zu sehen.
1925 bekommt Büderich eine Straßenbahn, die von Meererbusch nach Neuss fährt. Der "Bahnhof" (Büderich/Landsknecht) der Fernbahn Düsseldorf - Krefeld war zu weit weg für die Bewohner am Deutschen Eck, in Niederdonk und Necklenbroich, die nach Düsseldorf wollten. Sie konnten jetzt von der Ortsmitte Büderich oder vom Deutschen Eck zum Handweiser in Heerdt mit Umstiegsmöglichkeiten nach Düsseldorf und Neuss gelangen. Außerdem mussten sie nicht mehr den teueren "Ferntarif" für die Fernbahn, sondern brauchten nur noch den niedrigeren "Lokaltarif" für die Straßenbahn bezahlen. Das Deutsche Eck wurde zu einem "der verkehrsreichsten Plätze in Büderich", woran Mike Kunze mit einem Beitrag und Foto in der Rheinischen Post vom 13.7.2020 erinnerte.
Der Personenverkehr wurde streckenweise von der Schiene auf die Straße verlegt. Die Namen der Haltestellen wurden z.T. verändert. Die "M" nach Moers sowie die Straßenbahn nach Neuss sind durch Busse ersetzt worden. Die Rheinbahnstation "Meererbusch", zwischenzeitlich "Haus Meer", heißt nach dem Bau des zentralen P&R-Parkplatzes und nach der Verlegung des Verkehrsknotenpunktes dorthin jetzt "Forsthaus", das alte Stellwerksgebäude und der Güterschuppen wurden abgerissen. Geblieben aber sind als bauliche Zeugnisse für die gesamte Verkehrserschließung des Meerbuscher Raums durch die Rheinbahn die drei bzw.(wenn man die Station vor den Böhlerwerken mitzählt) vier alten Bahnhöfe.
Anlässlich "120 Jahre Geschichte der elektrischen Kleinbahn" von Düsseldorf nach Krefeld (heute Rheinbahn U76) erinnert Prof. Norbert Schöndeling (Meerbusch) in der Rheinischen Post vom 14. 12. 2020 an die Bedeutung der an Haus Meer vorbeiführenden Rheinbahn für die Verkehrserschließung des Meerbuscher Raums.
Es lohnt sich zu prüfen, ob nicht wenigstens einer der noch erhaltenen historischen Bahnhöfe der Rheinbahn auf Meerbuscher Gebiet im "öffentlichen Interesse" gem. DSchG § 2 unter Denkmalschutz gestellt werden sollte. Wenn die Entscheidung dann für den Bahnhof "Forsthaus" in Büderich-Meererbusch fällt, könnte der gegenüberliegende historische und traditionsreiche Kiosk in der Moerser Straße, das sogenannte "Büdchen", ebenfalls unter Schutz gestellt werden. Über das inzwischen Kultstatus erlangte "Caviar- oder Champagnerbüdchen" wurde in der Öffentlichkeit immer wieder berichtet und diskutiert: "Deutschlands nobelstes Büdchen" oder auch "Caviar-Büdchen" oder "Champagner-Büdchen" wurde es genannt. Das "Büdericher Büdchen" an der B 9 rangiert im öffentlichen Bewusstsein schon jetzt als Denkmal, ohne diesen Rechtstitel zu haben (s. Rheinische Post 31.12.2018).
(Erweiterung des Albums um den Aspekt: Straßen?)
Wir planen, dieses Album zu erweitern oder ein eigenes zu erstellen zum Aspekt "Straßen". Dazu gehört die historische Einbindung von der Römerzeit (u.a. Limes) bis in die Neuzeit. Vgl. dazu Lothar Schröder in der Rheinischen Post vom 31.10. 2018 "Über diese Straße kam Rom zu uns" mit Fotos des Becher-Schülers Volker Döhne zum Limes von Bonn bis Xanten.
Unter dem Teilaspekt "Straßen in der Neuzeit" wäre nicht nur auf das "Büdche" in Büderich, sondern auch auf die historische Strümper Tankstelle (aus dem Jahre 1960) mit Autogarage für "Old- und Youngtimer" und als "Location" für das Drehen von Filmen hinzuweisen (Rheinische Post vom 24.9.20) und vom 14.04.2021.
2021 feiert die Rheinbahn 125 Jahre. Die Rheinische Post bringt am 25.3. eine 16seitige bebilderte Sonderbeilage, wobei allerdings der linksrheinische Raum etwas zu kurz kommt. Zum Jubiläum erscheint außerdem ein Fotoband: 125 Jahre Rheinbahn in 125 Stationen.
Lit.:
Richard Jacobi/Dieter Zeh, Die Geschichte der Düsseldorfer Straßenbahnen. Von der Pferdetram zur Rheinbahn. Freiburg 1986.
Rudolf Kremer, 100 Jahre Bahnhof Hoterheide in Osterath - Erinnerungen an meinen Großvater August Ramm, in: Meerbuscher Geschichtshefte, H. 15, Meerbusch 1998, S. 93-97 (mit zwei Fotos von der "Station Osterath" von 1903 und 1904)
Wolfgang R. Reimann, Straßenbahn und Güterverkehr zwischen Rhein, Ruhr und Wupper. Berlin 1904
Wilhelm Toups, Die Verkehrslinie Haus Meer-Uerdingen, in: Meerbuscher Geschichtshefte, H. 12, Meerbusch 1995, S. 72-85 (u.a. mit einem Foto: Bahnhof "Forsthaus Meer" um 1900 mit Güterverladestelle)
Dieter Zeh, Straßenbahnverkehr in Büderich, in: Meerbuscher Geschichtshefte, H. 1,Meerbusch 1984, S. 46-47
Rheinbahn (Hrsg.), Fotoband zum Jubiläum: 125 Jahre Rheinbahn In 125 Stationen, Düsseldorf 2021
Wir danken Herrn Hans Männel von der Rheinbahn, Abt. Unternehmenskommunikation, für zahlreiche Hinweise und für den Zugang zum Fotoarchiv der Rheinbahn.
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