Alte Schule Ilverich
Im Unterschied zu Langst-Kierst ist die Ilvericher Schule 1981 unter Denkmalschutz gestellt worden. Sie ist, jedenfalls in ihrem äußeren Erscheinungsbild, bis heute erhalten und bildet zusammen mit dem Dorfplatz, dem Heldendenkmal und der alten Dorfschänke den Kern der kleinen, aber über 1100 Jahre alten Rheingemeinde.
Die Eintragung der 1829 erbauten Dorfschule mit Krüppelwalmdach und kleinem Glockenstuhl in die Denkmalliste unterstreicht die Bedeutung des Gebäudes für das Schulwesen "im preußisch gewordenen Rheinland" und für die Entwicklung des Ortes Ilverich im 19. Jahrhundert. Nutzungsbedingte Veränderungen sind möglich, aber die frühere "Nutzung als Schulgebäude muss stets ablesbar bleiben"
Ilverich bekommt 1827/1828 eine eigene Schule
"Bis 1827 mußten 60 Ilvericher Kinder jeden Tag zu Fuß 2 1/2 km weit nach Lank zur Schule gehen. Hin und zurück waren es 5 km. Es gab keinen Schulbus, und die Straßen waren noch nicht asphaltiert. Bei Hochwasser waren die Kinder oft zwei bis drei Monate vom Unterricht ausgeschlossen" (so beginnt Karl-Josef Schmitz seinen 1975 in "os Lank on Lotum" geschriebenen Aufsatz "Zur Schulgeschiche Ilverichs" (s.u.Lit.). 1827 kaufte der Landrat "als Ankäufer für die Gemeinde Ilverich" vom Landwirt Balthasar Sassen (Sahsen?) ein Stück Land, "worauf die Schule gebaut und der Garten und Spielplatz angelegt wurden. "Der Lehrer wohnte, wie auf dem Lande üblich, in der Schule. Von der Gemeinde erhielt er ein Gehalt und zusätzlich Schulgeld von jedem Schulkind. Das Schulgeld wurde später fallen gelassen. Die Schulchroniken von Kierst und von Ilverich halten fest: Ganztägiger Unterricht von Montag bis Freitag mit Religionsunterricht am Samstag, Strafen (Einsperrungen, Nachsitzen und gelegentlich auch körperliche Züchtigungen) und Belohnungen ("Honigkuchen und Bilder").
Ernennungsurkunde für den Lehrer
Die Gemeinde und der Schulvorstand wählten den Lehrer - "unter Vorbehalt höherer Genehmigung". Unterschrieben wurde die Ernennungsurkunde vom Bürgermeister, von drei Vertretern des Gemeinderats, von drei Vertretern des Schulvorstandes und vom Lehrer. Geregelt wurden die Pflichten des Lehrers und seine Einkünfte. Der Lehrer verpflichtete sich zu täglich sechs Stunden Unterricht (von acht bis elf und von eins bis vier), was den Religionsunterricht anbelangt, hatte er sich nach dem Pfarrer zu richten, die Kinde hatte er "besonders zur Sittlichkeit und Religiosität anzuführen" sowie in dem "zu seiner Verfügung gestellten Schulgarten eine Baumschule nach Vorschrift anzulegen". Dafür erhielt er "freie Wohnung und Garten, aus der Gemeindekasse ein "Gehalt" in Höhe von jährlich 90 Taler, auszahlbar vierteljährlich, von jedem Kind ein monatliches Schulgeld von 4 Silbergroschen, "jedoch mit Ausnahme der armen Kinder, wofür ihm pro Monat und Kind nur drei Silbergroschen vergütet werden" (aus der Gemeindekasse?) (Abdruck der Kaufurkunde sowie der Ernennungsurkunde in: Os Lank on Lotum, 1975, S. 84 - 86)
Die ab 1873 geführte Schulchronik war zugleich eine Ortschronik und sagt viel aus über das Dorfleben (Schulglocke als Glocke zur Mittagspause für die Arbeit auf dem Feld und zum Geleit des Leichenzugs), über Feiern und Feste, über die Zeitgeschichte und über das Brauchtum (Sedanfeier zur Erinnerung an 1870, über Feiern zu Ehren der Königin Luise und des Herrscherhauses, über die beiden Weltkriege: Kriegsbegeisterung und Kriegsnot im 1. Weltkrieg, die die Städter von Duisburg bis Barmen nach Ilverich trieb, Einquartierung belgischer Soldaten nach dem Ersten Weltkrieg, Schützenfeste zwischen den Kriegen, Nationalsozialistische Machtergreifung 1933 und Hakenkreuzfahne auf dem Schulgebäude, Erntedankfest, extrem kalter Winter 1942, in dem der Chronist auf dem zugefrorenen Rhein "mehrmals zu Fuß nach Kaiserswerth gegangen" war, Unterrichtsausfall wegen "gesteigerter Fliegertätigkeit", Bombenangriff vom 22. auf den 23. August 1944 mit "vielen Brand- und Sprengbomben", amerikanische Besetzung 1945 mit "Panzerwagen auf dem Schulhof", fünfwöchige Evakuierung aller Ilvericher nach Lank und dann nach Krefeld-Fischeln, Wiedereröffnung der Schule am 22. August 1945, Milchsuppe und Schulspeisung, St. Martin- und Nikolaus-Feier 1947 sowie Krippenspiel für "das ganze Dorf in der Schule". Mit der Schulrenovierung 1953 endet die Schul-und Ortschronik.
Nach der Schulreform im Land NRW 1968 (Ende der Volksschule, Einführung von Grund- und Hauptschulen) gehen die Ilvericher Schülerinnen und Schüler wie diejenigen aus Langst-Kierst nach Lank in die Schule. Das Schulgebäude wurde 1970 zu einer mehr und mehr auch überregional bekannten Galerie.
Die neuen Eigentümer, das Ehepaar Wolfgang Paul und Angela Paul, geb. Krümpelmann, betrieben die Galerie Ilverich bis 1996. Sie bezogen Schulhof und Garten in die Ausstellungskonzeption mit ein und holten zahlreiche Künstlerinnen und Künstler aus Meerbusch, aus der Region und aus ganz Deutschland nach Ilverich. Es begann 1970 mit Arbeiten von Erich Bödeker, es folgten Ausstellungen mit Werken von Paul Flora, Tomi Ungerer, Martel und Gottfried Wiegand, Holger Runge, Kurt Mühlenhaupt, Janosch, Jochen Geilen, Felix Droese, Gerhard Hoehme, Jürgen Brodwolf, Günter Grass, Markus Lüpertz "und immer wieder Joseph Beuys". "Plötzlich waren die Galerie und natürlich auch das bis dahin weitgehend unbekannte Dorf Ilverich in aller Munde" (Jansen, S. 269). An den mit dem Galeristenehepaar befreundeten Joseph Beuys und seine Verbundenheit mit der Ilvericher Galerie erinnert sein Poster mit dem Hasen aus dem Jahre 1984 "Joseph Beuys in Ilverich" .
1979 wurden in der Galerie Ilverich 1075 Jahre Ilverich und 150 Jahre Dorfschule gefeiert. Dazu luden die Galeristen acht Künstlerinnen und Künstler aus Ilverich ein: Hansjörg Edelhausen (Bilder), Ingeborg Hartmann (Aquarelle), Rosemarie Lange-Eberhardt (Aquarelle), Kurt Link (Sandreliefs), Monika Mähl (Bilder, Radierungen, Marlis Obermüller (Bilder, Radierungen), Ilse Petry-Ambrosius (Radierungen) und Hildegard Schaub (Betonplastiken).
Ein Anziehungspunkt besonderer Art war in den ersten Jahren der Galerie (bis 1974) auch der sog. "Krümpelmarkt", der wohl erste Trödelmarkt der Region mit Künstlern, Artisten und Musikern. Um die Schule herum herrschte ein reges und buntes Treiben.
Zum 10jährigen Bestehen der Galerie Ilverich dichtete Helmut Hartmann seine viel beachtete "Ode an Ilverich", bestehend aus Prolog (verträumte Idylle), Bestandsaufnahme (Keine Bank, keine Spur von einem Supermarkt, keine Schule (mehr) - aber eine Galerie) und Vision (Träume im Spätherbst) (s. Literaturangaben).
Es gab eine Zeit, in der die Galerie Ilverich "weit über Düsseldorf hinaus" bekannt war. Daran erinnert Bertram Müller auf der Seite "Düsseldorf Kultur" in der Rheinischen Post vom 22. August 2013. Immer wieder wird auch in der Lokalpresse an die "Galerie"-Zeit erinnert (RP vom 25.05.2016 und RP vom 21.7.2018). Im Jahre 2021, als Beuys 100 Jahre alt wurde, erinnerte die ehemalige Galeristin Angela Paul erneut an 27 Jahre "Galerie" und an "Joseph Beuys in Ilverich".
Das Denkmal "Alte Schule in Ilverich" ist ein Beispiel dafür, wie ein Denkmal einen historischen Einblick geben kann in die Entwicklung eines Ortskerns bis in die Gegenwart hinein. In Ilverich hieß es immer mit Erfolg: "Lasst die Schule im Dorf". Die alte Schule, die alte Dorfschänke (u.a. auch Wahllokal im Ort), das Heldendenkmal und der 2006 neu gestaltete Dorfplatz mit den beiden "Säuleneichen" links und rechts vom Heldendenkmal, mit der Info-Tafel des Heimatkreises Lank auf dem beim Autobahnbau der A 44 gefundenen Quarzit, mit Bushaltestelle, mit dem (letzten) Briefkasten und mit den modernen "Unterflurcontainern" für Altpapier und Altglas bilden heute das Dorfzentrum, in dem auch die Aktivitäten des Ilvericher Bürgervereins stattfinden. In Ilverich, dem einzigen Ortsteil von Meerbusch, in dem keine Kirche oder Kapelle steht, gibt es aber ein religiöses Brauchtum wie z.B. den jährlichen Martinszug, der viele aus den Nachbargemeinden nach Ilverich lockt.
Lit.:
Emsbach,Karl: Kierst und Ilverich im 19. Jahrhundert, in: 1100 Jahre Langst-Kierst und Ilverich 904 - 2004, Meerbusch 2004, S. 118 ff.
Hartmann,Helmut: Ode an Ilverich,in: 1100 Jahre Langst-Kierst und Ilverich, Meerbusch 2004, S. 380 ff.
Heimatkreis Lank e.V. (Hrsg.): Meerbusch-Lank im Ersten Weltkrieg. Briefe und Zeitzeugnisse von Front und Heimat (darin zahlreiche Auszüge aus der Ilvericher Schulchronik), Meerbusch 2014
Jansen, Winfried: Galerie Ilverich,in: 1100 Jahre Langst-Kierst und Ilverich 904 - 2004, Meerbusch 2004, S. 265 ff. (mit zahlreichen Fotos)
Schmitz, Karl-Josef: Zur Schulgeschichte Ilverichs, in: Os Lank on Lotum, 1975, S. 84 - 96
Schmitz, Karl-Josef: Aus der Schulchronik von Ilverich,in: 1100 Jahre Langst-Kierst und Ilverich 904 - 2004, Meerbusch 2004, S. 191 ff.
Schmitz, Karl-Josef: Ilvericher Festtage 1979, in: 1100 Jahre Langst-Kierst und Ilverich 904 - 2004, Meerbusch 2004, S. 261ff.
Lage: Meerbusch-Ilverich, Obere Straße 47
Verzeichnis: Nr. 36[img]images/stories/schule.jpg[/img]
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