Alter Kirchturm
Der 4-geschossige romanische Kirchturm aus Tuffstein wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtet und ist als Rest der 1891 abgebrannten Kirche St. Mauritius erhalten geblieben. Er zeigt Rundbogen, einen Arkadenfries und Doppelarkadenfenster. Seit 1959 dient er als Mahnmal für die Toten beider Weltkriege. Das Tor aus Eichenholz ist von Joseph Beuys gestaltet worden, indem er die Namen der 222 Büdericher Kriegstoten "als individuelle Erinnerung an die Toten" eingekerbt hat. Im Innenraum hängt ein von Beuys geschaffenes Eichenholzkreuz als Auferstehungs- und Erlösungsymbol. "Es bildet den 'Gegenpol' zum Todessymbol des Tors" (Margot Klütsch. Tor und Eichenholz-Kreuz schuf Joseph Beuys Ende der 50er Jahre in seinem Klever Atelier. Beuys war u.a. durch seinen in Büderich lebenden Lehrer Ewald Mataré und durch die "Galerie Ilverich mit Meerbusch verbunden.
Im Rahmen der Meerbuscher Kirchennacht 2009 wurde an das 50jährige Bestehen des Mahnmals "Alter Kirchturm Büderich" gedacht. Aus diesem Anlass wurde auch "Eine kleine Auswahl von Archivalien aus dem Bestand der Stadt Meerbusch" herausgegeben.
Bundesweit aufmerksam auf das von Beuys gestaltete Mahnmal machte Chistof Siemes, Was vom Schamanen übrig bleibt, in DIE ZEIT (Ausgabe Nr. 38 vm 16. September 2010). Der Artikel erschien zum Auftakt von drei Beuys-Ausstellungen im Schloss Moyland, in der Landeskunstsammlung in Düsseldorf und im Westfälischen Landesmuseum Münster. Bevor der Autor auf diese Ausstellungen eingeht, verweist er auf das Ehren- und Mahnmal in Meerbusch-Büderich, die einzige "(halb-)öffentlich zugängliche Skulptur des Jahrhundertkünstlers" und mahnt indirekt einen pflegerischen Umgang mit diesem Kunstwerk an.
Die Mahnung scheint nicht ungehört geblieben zu sein. Am 1. Juli 2011 teilte die WZ in ihrem Meerbuscher Lokalteil mit, dass der Kirchturm mit dem Kunstwerk von Beuys restauriert werden soll. Das hätten die Fachbehörde(das Rheinische Amt für Denkmalpflege) und die städtische Untere Denkmalbehörde mitgeteilt. Allerdings soll die Restaurierung "schonend" erfolgen. Dazu gehöre die Beseitigung der Vermoosung und des Vogelkots. Mehr solle nicht erfolgen, weil nicht auszuchließen sei, dass der jetzige Zustand (z.B. Korrosion von Eisenbeschlägen) von Beuys künstlerich beabsichtigt gewesen sei. Für 2013 ist eine solche "behutsame" Sanierung geplant (s. WZ vom 24.5.2012 ). Die Stadt stellt 40 000 Euro für die Sanierung in den Haushalt für 2013 und zwar für "konservierende Maßnahmen" zur "Erhaltung des gealterten Zustandes", wie Meerbuschs Denkmalpfleger Reinhard Lutum gegenüber der Presse erklärte (s. Rheinische Post vom 23.6.2012). Vielleicht wird dann auch eine Informationstafel zur Geschichte und zur Bedeutung dieses Denkmals angebracht (ähnlich der Info-Tafel vor Haus Meer).
Ende 2013 wird im Kulturausschuss über den Stand der Restaurierungsarbeiten berichtet: Erneuerung der Dacheindeckung und der Mauerkrone, Nisteinlage für den Turmfalken, den natürlichen Feind der Tauben. (s. Rheinische Post vom 2.12.2013).
Anfang 2016 werden die beiden Torflügel und das Auferstehungssymbol zur "restauratorischen Reinigung" in die Werkstätten des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege nach Pulheim-Brauweiler gebracht, um dann vom April bis September in der Sonderausstellung "Joseph Behufs - Werklinien" im Klever Museum Kurhaus gezeigt zu werden. In der Zwischenzeit soll der Innenraum des Turms saniert werden (s. Rheinische Post 16.1.2016). Die "vorsichtige Konservierung" muss den werkgerechten und künstlergerechten Weg zwischen Erhalt und (gewolltem) Verfall finden (s. Rheinische Post 18.3.2016). Das Klever Museum Kurhaus zeigt die restaurierten Arbeiten und das ehemalige Atelier des Künstlers in einer eigenen Ausstellung, bevor die Arbeiten wieder nach Büderich zurückgebracht werden können (Rheinische Post 3.5.2016). Der Meerbuscher Kulturkreis (MKK) stattet der Ausstellung in Kleve einen Besuch ab.
Aber vor dem Rücktransport muss noch das Innere des Alten Kirchturms denkmalgerecht "gereinigt" werden. In Abstimmung mit der Denkmalbehörde und den Beuys-Erben einigt man sich Ende 2016 darauf, das "Meerbuscher Leuchtturm-Projekt" (Kulturdezernent Frank Maatz) nach der im Stadtarchiv aufbewahrten Originalrezeptur von Beuys zu verputzen (s. WZ vom 19.12.2016).
Nach fünf Jahren Sanierung wird die Großplastik von Beuys (Eichentor, Auferstehungssymbol und Turmschacht) im September 2018 wieder zugänglich (Voranmeldung unter 02159 916238). Die Rheinische Post beschreibt in ihrer Ausgabe vom 10.9.2018 unter der Überschrift "Neuer Glanz für den Beuys-Turm" die zeitaufwändige Sanierung und fasst die Geschichte des Kirchturms und der Entwicklung des Mahnmals für die Toten beider Weltkriege noch einmal kurz zusammen.
Im Dezember 2018 eröffnet die Städt. Musikschule vor 100 Gästen die neue Veranstaltungsreihe "Kunst & Klang im Alten Kirchturm". Ab 2019 sollen hier viermal im Jahr passend zu den Jahreszeiten kleine Konzerte stattfinden. Ein Denkmal wird kulturell in Szene gesetzt!
Die beiden neben dem Alten Kirchturm stehenden Grabsteine aus dem 17. Jh. verweisen auf den alten "Kirchhof". Die aus Sandstein gefertigten Steine in der Form eines Kreuzes wurden im Jahr 2020 unter Beibehaltung des Standortes als eigenständige Baudenkmäler unter den Nummern 165 und 166 in die Denkmalliste der Stadt eingetragen (s. Rheinische Post vom 20.10.2020).
Das ebenfalls renovierungsbedürftige Hagelkreuz aus dem 18. Jahrhundert stand ursprünglich im Garten der 1934 ausgewanderten jüdischen Familie Oppenheimer (ein weiteres Hagelkreuz steht an der Ecke Poststraße/Wirtzfeldstraße,es stammt aus dem Jahre 1746).
Anlässlich des 100. Geburtstags von Joseph Beuys im Jahr 2021 entwickelte "Tourismus NRW" die 300 km lange Radroute "Beuys & Bike" zu den Spuren und Zeugnissen des Künstlers am Niederrhein. Meerbusch wurde darin aus unerklärlichen Gründen nicht berücksichtigt, obwohl der Alte Kirchturm zu den besonderen Kunstwerken von Beuys im öffentlichen Raum gehört. Der Krefelder (und frühere Meerbuscher) Lokalredakteur der Rheinischen Post machte jedoch bei der Vorstellung der Radroute auf die zahlreichen Bezüge des in Krefeld geborenen Künstlers zum benachbarten Meerbusch aufmerksam: Meisterschüler von Ewald Mataré in Büderich, vorübergehend wohnend im Gartenhaus der Familie Niehaus im Gartenviertel Meererbusch, Gestalter des Grabsteins für Fritz Niehaus[, den Vater der berühmten Schauspielerin und Regisseurin Ruth Niehaus, Aufstellung des "tonnenschweren Beuys-Kopfes" von Anatol am Rheinufer zwischen Büderich und Lörick (s. Rheinische Post vom 20.3.2020. Und nicht zu vergessen die Beziehung zur "Ilvericher Galerie".
Lit.:
Karl Emsbach/Max Tauch, Kirchen, Klöster und Kapellen im Kreis Neuss, Köln 1986, S. 136 f.
Gerd Höffmann, Der Büdericher Friedhof, in: Meerbuscher Geschichtshefte, Heft 19, Meerbusch 2002, S. 173 - 185
Vera Foerster, Die Rettung des alten Kirchturms in Büderich - Denkmalschutz vor 90 Jahren, in: Meerbuscher Geschichtshefte, Heft 1, Meerbusch 1984, S. 41
Margot Klütsch , Meerbuscher Kunstwege, Düsseldorf 2010, S. 42-45
Mike Kunze, Was vom Leben bleibt - Grabsteine als lokalhistorische Quelle (Teil I), in: Meerbuscher Geschichtshefte, Heft 27, Meerbusch 2010, S. 147 - 160
Verlinkungen
Ein Kulturspaziergang von Isabelle von Rundstedt und Gerd Kremer zum : Alten Kirchturm in Büderich
Lage: Meerbusch-Büderich, Dorfstraße
Verzeichnis: Nr. 48
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