Verwaltungsgebäude am Dr.-Franz-Schütz-Platz
(Die denkmalbezogenen Angaben sowie die gesetzliche Begründung sind der offiziellen Denkmalliste der Stadt Meerbusch entnommen. Die Untere Denkmalbehörde der Stadt gibt auch Auskunft über die für die Eintragung vorgesehenen, aber noch nicht gelisteten Texte (Untere Denkmalbehörde).
Das ehemalige HJ-Heim in Büderich, heute Verwaltungsgebäude der Stadt Meerbusch, steht unter Denkmalschutz. Den vollständigen Eintragungstext für die Denkmalliste finden Sie hier.
Die Unterschutzstellung ist nicht der Endpunkt einer längeren öffentlichen Diskussion, sondern zugleich der Ausgangspunkt für eine weitere fachliche, öffentliche und politische Diskussion über die Frage: Wie soll man mit diesem nicht unumstrittenen Denkmal umgehen und wie soll es in der Zukunft genutzt werden? Die Vorschläge reichen vom Anbringen einer Gedenktafel bis zur Einrichtung einer Dokumentationsstelle, von einer Zeitzeugenbefragung bis zum Freilegen des sog. "Nazi-Freskos".
Wir informieren auf dieser Seite in Text und Bild über dieses Denkmal in einer - wie wir hoffen - angemessenen Weise. Im Text kommt es uns darauf an, die öffentliche Diskussion zu dokumentieren und fortzuschreiben. Bei der Auswahl der Fotos wollen wir "damals" und "heute" gegenüberstellen. Weitere Fotos wie auch ein etwa 10minütiger (Stumm-)Film von der Zeremonie anlässlich der Fertigstellung des ehemaligen HJ-Heimes befinden sich im Stadtarchiv. Für die Einsendung von historischen und aktuellen Fotos zu dem Thema sind wir dankbar.
Das Baudenkmal: Ehemaliges HJ-Heim
Im Rahmen des großangelegten HJ-Heimbau-Programms waren die Gemeinden per Gesetz verpflichtet, ein angemessenes Grundstück für den Bau eines HJ-Heimes zur Verfügung zu stellen und für die Bau- und Unterhaltungskosten aufzukommen. Der HJ-Kreisleiter teilte der Gemeinde einen Architekten zu, der in Planung und Ausführung an die Vorgaben des "Arbeitsausschusses der Reichsjugendführung der NSDAP" gebunden war.
Die frühere Gemeinde Büderich kaufte 1936 das Grundstück an der damaligen Adolf-Hitler-Straße (heute Dorfstraße) und beauftragte ein Jahr später den Architekten Klaus Reese aus Büderich mit der Planung eines HJ-Heimes. 1939 erhielt das Gebäude die Bezeichnung "Hermann-Göring-Heim".
Charakteristisch für das HJ-Heim in Büderich waren die kasernenmäßig durchlaufenden Flure, die Fahnen- und Feierhalle sowie Appellflur, Scharräume, Räume für die Führer im Erdgeschoss und Appellflur, Gemeinschaftsraum und die Scharräume der Mädchen und Räume für deren Führerinnen im Obergeschoss.
Das Besondere des Denkmals besteht in einem noch unter Putz befindlichen Wandgemälde aus der NS-Zeit: "In der Erdgeschosshalle an der linken Wand befindet sich unter jüngeren Farbschichten ein Fresko von 1939. Archivalien bekunden eine "Bildkarte von Büderich" als zeittypisches Wandbild mit beidseitigem Schrifttext des Malers Fritz Schlüter".
In der Denkmalbegründung wird die Bedeutung für die Geschichte des Menschen, insbesondere für das architektonische Schaffen der 30er Jahre, für die politische Ikonographie und für das Selbstverständnis des Regimes hervor hervorgehoben: "Das ehemalige HJ-Heim ist erhaltenswert aus wissenschaftlichen und architekturgeschichtlichen Gründen als selten erhaltener Typus eines Repräsentationsgebäudes der Zeit des Dritten Reiches". Außerdem ist es erhaltenswert aus "ortsgeschichtlichen Gründen als Werk eines Architekten der Region, der in den 1930er Jahren und in der Nachkriegszeit mehrere Wohnhäuser im traditionellen Heimatstil und ungefähr zur gleichen Zeit in Duisburg-Neudorf ein weiteres HJ-Heim errichtete." (Eintragungstext, s. Quellen und Literatur)
Das Wandgemälde aus der NS-Zeit
Die ehrenamtliche Beauftragte für Denkmalpflege der Stadt Meerbusch, Dr. Rosemarie Vogelsang, legt Ende 2010 in der Ausgabe 27 der Meerbuscher Geschichtshefte Ende eine ausführliche ikonographische Beschreibung des überlieferten Fotos des Freskos vor. Außerdem wertet sie den 1938 erteilten Auftrag des damaligen Büdericher Bürgermeisters an den Maler aus, gibt ausführlich den Inhalt der beiden Schriftblöcke links und rechts des Gemäldes wieder und arbeitet das nationalsozialistische Gedankengut des Gemäldes heraus(s. Quellen und Literatur: Vogelsang, Rosemarie): Das Wandgemälde von Büderich stellt die "bekannten alten Güter" (Haus Meer, Viehhof, Dyckhof, Fronhof, Schackum, Röttgeshof, Mönchenwert), die Kirchen (St. Mauritius, Alter Kirchturm und Kapelle Niederdonk), die öffentlichen Gebäude (Rathaus und Mauritius-Schule), die Böhlerwerke, die Rheinbahn und einen Dampfer dar - dazwischen Bauern als Vertreter des "Reichsnährstandes", Frauen am Löricker Strandbad als Beispiel für "körperliche Ertüchtigung", junge Menschen als Beispiele für das "aufstrebende Leben" und in der Mitte der Hitlerjunge mit Fanfare, Fahnentuch und S-Rune. Vor dem Rathaus eine Hakenkreuz-Fahne.
"Hitler-Jugend" als Teil der "Volksgemeinschaft" in der NS-Zeit
Das ehemalige HJ-Heim war Teil eines größeren Projektes für die Gestaltung des Platzes, der einmal Adolf-Hitler-Platz heißen sollte. Das Projekt kam aber nicht mehr zur vollständigen Ausführung. "HJ" steht für "Hitler-Jugend", der sich die Jungen zwischen 14 und 18 Jahren zunächst freiwillig anschließen konnten, die aber später alle Jungen in diesem Alter zwangsweise erfasste, so dass ihre Zahl 1939 in ganz Deutschland auf 8,7 Millionen anstieg. Die HJ war ein Teil der "Volksgemeinschaft". Sie sollte den Jungen die NS-Ideologie vermitteln und sie auch vormilitärisch ausbilden. Mit dem Begriff "Volksgemeinschaft" wurde eine "soziale Verheißung" beschrieben. Das "System Volksgemeinschaft" funktionierte nach dem Prinzip der Zugehörigkeit bzw. des Ausgeschlossenseins. "Die Grundlage der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft war der rassistische, vor allem antisemitische Gedanke. Aus diesem Grund ist die Idee der Volksgemeinschaft eine Ideologie, die im Kern gewalttätig war" (s. Quellen und Literatur: Hitler und die Deutschen, S. 4).
Die öffentliche Diskussion über den angemessenen Umgang mit dem Denkmal
Im Folgenden dokumentieren wir im wesentlichen die öffentliche Diskussion, wie sie sich aus unserem digitalen Pressearchiv ergibt: "Die Kommunalpolitiker setzen das heutige Verwaltungsgebäude auf dem Dr.-Franz-Schütz-Platz trotz dunkler Vergangenheit auf die Denkmalliste", titelte die Rheinische Post am 4. September 2008. Erst der Vorschlag, eine Dokumentationsstelle zur Erinnerung an die Geschichte einzurichten, bringt die erforderliche Zustimmung der Kommunalpolitik. 2010 weist die Meerbuscher Historikerin und ehrenamtliche Beauftragte für Denkmalpflege der Stadt Meerbusch, Dr. Rosemarie Vogelsang, in den Meerbuscher Geschichtsheften (s. Quellen und Literatur) auf das bis dahin wenig bekannte, noch unter Putz liegende Wandgemälde in der Eingangshalle hin und stößt damit die öffentliche Diskussion um das Denkmal erneut an (Rheinische Post vom 7. Januar 2011 und vom 8. Januar 2011). Es wird auf einen Vergleichsfall in Wuppertal hingewiesen, wo die Kommunalpolitik ebenfalls vor der Frage stand, wie man mit dem NS-Fresko im dortigen Polizeipräsidium umgehen sollte (s. [Rheinische Post 8.2.2011). Die Westdeutsche Zeitung vom 26.5.2011 weiß zu berichten: "Restauratoren haben das Bild unter den jüngeren Anstrichschichten nicht nur entdeckt, sie halten eine zumindest teilweise Offenlegung aus konservatorischen Gründen auch für machbar". Die Diskussion geht weiter. Politik und Öffentlichkeit erfahren: Der eiserne Schriftzug des HJ-Heims ist seit der Auflösung des Bauhofs nicht mehr aufzufinden (s. Rheinische Post vom 20. Oktober 2011 und Westdeutsche Zeitung vom 20. Oktober 2011). Im Mai 2012 beschließt der Ausschuss eine Zeitzeugenbefragung (Rheinische Post vom 24.5.2012 und Westdeutsche Zeitung vom 24.5.2012). Frau Dr. Rosemarie Vogelsang erinnern sich als Zeitzeugin an ihre "Kindheit unterm Hakenkreuz" (Rheinische Post vom 13.6.2012 sowie Westdeutsche Zeitung vom 13.6.2012).
Über die Projekte "Dokumentationsstelle" und "Zeitzeugenbefragung" ist längere Zeit nichts zu hören. Nach den Kommunalwahlen im Jahr 2014 nimmt der Kulturausschuss die Diskussion wieder auf. Die Lokalpresse berichtet laufend. Die Rheinische Post vom 10.2.2015 veröffentlicht dazu zwei Fotos aus dem Stadtarchiv. Das eine zeigt das ca. 2.5 m x 4 m große Fresko, das andere das HJ-Heim, auf dem Angehörige des "Bund deutscher Mädels" posieren mit der Zusatzinformation: "Sie wurden damals als Arbeitskräfte eingesetzt. Das frühere HJ-Heim diente auch als Arbeitsdienstlager". In einer weiteren Ausgabe der Zeitung werden Meerbuscher Experten zu dem Thema befragt (Rheinische Post vom 12.2.2015). Die Verwaltung schlägt 2016 vor, das Bild freizulegen, allerdings nur einen Ausschnitt von 10 x 10 cm, und eine Hinweistafel anzubringen (Rheinische Post vom 20. April 2015). Über den Umgang mit dem Denkmal besteht weiter Uneinigkeit (Rheinische Post vom 8.5.2015). Historiker plädieren für die Freilegung. Zwei Grundschulen sprechen sich gegen die Freilegung aus. Im September 2016 entscheidet sich die Politik einstimmig dafür, das "Nazibild" hinter dem weißen Putz zu lassen. Sie legt jedoch fest, "dass in Form einer Hinweistafel auf das unter Putz liegende Wandgemälde verwiesen werden soll. Das Schild, möglicherweise mit QR-Code zum Abrufen der Informationen im Internet, soll über den Hintergrund des Wandbildes aufklären, seine intendierte Funktion und den Ort der Malerei erläutern". (Rheinische Post vom 14.9.2016). Die weitere Berichterstattung in der Lokalpresse nimmt auch auf unsere Dokumentation in dieser Galerie Bezug.
Nach den Sommerferien im Jahr 2017 stehen in dem denkmalgerecht renovierten Gebäude auf der linken Seite Räume für die Ganztagsbetreuung der Mauritiusschule und der Gebrüder-Grimm-Schule zur Verfügung. Die Räume auf der rechten Seite stehen weiterhin den Bürgern und für Sitzungen zur Verfügung. Charakteristisch für das Äußere des denkmalgeschützten Gebäudes sind die Sprossenfenster, wie sie auch an anderen Häusern aus der damaligen Zeit in Büderich zu finden sind (Rheinische Post vom 31.7.2017).
"Damals" und "Heute"
An der Namensgebung, der Gestaltung und Nutzung des Platzes mit den angrenzenden Gebäuden lässt sich der historische Wandel von damals zu heute ablesen. Heute heißt der ehemalige Adolf-Hitler-Platz nach dem ersten demokratisch gewählten Bürgermeister von Büderich "Dr.-Franz-Schütz-Platz". Im ehemaligen HJ-Heim befindet sich heute ein Teil der für die Bürger arbeitenden städtischen Verwaltung mit einem modernen Sitzungssaal. Demokratisch gewählte Ratsmitglieder halten hier ihre Ausschusssitzungen ab. Wo früher Aufmärsche stattfanden und Hakenkreuzfahnen wehten, gibt es heute Feiern und Feste mit einem breiten Brauchtum. Wo früher Hassparolen gepredigt wurden, steht heute die Wand "Künstler gegen Ausländerfeindlichkeit" mit wechselnder Gestaltung. Die Abbildung aus dem Jahr 2008 (s.Foto 06) fordert zur Toleranz und zum Dialog der Religionen und Kulturen auf (www.engel-der-kulturen.de). Der Integrationsrat der Stadt initiiert die Einlassung einer entsprechenden Intarsie auf dem Boden (s. Rheinische Post vom 25.7.2011). Diese Aktion wird zum Höhepunkt am Ende der Interkulturellen Woche im Jahr 2012 (Rheinische Post vom 7.5.2012). Wo früher Bücher verbrannt wurden, hat die Bürgerschaft heute Zugang zu einer modernen Bibliothek mit einem breiten Angebot an Büchern und mit einer Lichtinstallation des Berliner Künstlers Götz Lemberg. "Lichtvoll" werden "Wort" und "Bild" in Beziehung gesetzt. Das Kunstwerk "öffnet" die Bibliothek auch am Abend zum Platz hin und nimmt ihm somit seine "Düsternis". Wo damals Nazi-Parolen zu hören waren, unterstützen heute Kirchenglocken eine Gegendemo gegen die NPD mit Glockengeläut gegen die NPD).
Unweit des Dr. Franz-Schütz-Platzes steht in der Dorfstraße der Alte Kirchturm, in dessen Eichentor Joseph Beuys die Namen der Büdericher Kriegstoten eingraviert hat (Mahnmal Alter Kirchturm).
Quellen und Literatur:
Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen. Begleitmaterial zur gleichnamigen Ausstellung im Deutschen Historischen Museum, Berlin 2010.
Radmacher , Franz-Josef: Heime für die Staatsjugend. Zwei ehemalige HJ-Heime in Meerbusch, in: Jahrbuch für den Kreis Neuss 2000, S. 142.
Ders. und Spoerle , Walter: Gestaltung des Adolf-Hitler-Platzes, in: Meerbusch in Zeitzeugnissen 1930-1950 - Dokumente und Erinnerungen, Schriftenreihe Im Rheinbogen, Hrsg. Heimatkreis Lank, Bd. 13, S. 154 ff.
Regenbrecht , Michael, Dr. Franz Schütz: Ehrenbürger, Mensch und Mythos, in: Meerbuscher Geschichtshefte, Heft 28 (2011), S. 62 - 81.
Vogelsang , Rosemarie: Das ehemalige "HJ-Heim" in Meerbusch-Büderich - ein Problemfall für die Denkmalpflege?, in: Meerbuscher Geschichtshefte, H. 27 (2010), S. 117 - 127.
Lage:Büderich, Dorfstraße, Dr.-Franz-Schütz-Platz, 1-3
Lfd.Nr. in der Liste:160
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