Wohnhaus "Dampfmühle" - heute: Buch- und Kunstkabinett Mönter
Gemäß der Eintragung vom 11.9.1984 in der offiziellen Denkmalliste der Stadt handelt es sich bei dem Gebäude "Dampfmühle" südlich von der katholischen St. Nikolaus-Kirche in Osterath um ein "Backsteingebäude 2-geschossig in 7 Achsen mit Toreinfahrt, Putzfassade mit neubarocken Schmuckformen, errichtet 1883 mit einer Dampfmühle. Das Haus bezeugt die Besiedlung und die Bebauung Osteraths im 19. Jahrhundert und eine Entwicklung von Produktionsverhältnissen, da der Erbauer des Hauses hier in Konkurrenz zur bestehenden Windmühle eine Dampfmühle errichtete und betrieb. Das Gebäude mit seinen harmonischen Maßen und seinen neubarocken Schmuckformen bestimmt den Charakter des Kirchplatzes, der als Teil des alten Dorfkernes erhalten werden soll".
Es fällt auf, dass in der Denkmalbegründung nichts gesagt wird über die Reichweite des Denkmalschutzes (das gesamte Gebäude mit seinem Inneren oder nur die Fassade?). Damit war ein breiter Spielraum für die wohnliche, gewerbliche und kulturelle Nutzung gegeben.
Es fällt außerdem auf, dass die Denkmalbegründung mehr auf das Erscheinungsbild "Kirchplatz als Teil des alten Dorfkernes" abhebt. Das legt es nahe, weitere Gebäude gegenüber der Kirche ebenfalls unter dem Aspekt des Ensemble-Schutzes zu betrachten und zu bewerten.
In der Broschüre "Baudenkmäler in Meerbusch" aus dem Jahr 1974, die noch vor der Verabschiedung des DSchG NRW und vor der Erstellung der offiziellen Denkmalliste verfasst worden ist, heißt es: "Als die Kirchengemeinde St. Nikolaus im Jahre 1883 den Neubau der Windmühle beschloss und durchführte, erbaute der bisherige Mühlenpächter neben der Kirche eine Dampfmühle mit zwei Mahlgängen. Noch vor Eröffnung der kirchlichen Windmühle an der Willicher Straße konnte die Abels "Dampfmühle" am 10. Juli 1883 ihren Betrieb aufnehmen."
Ganz ohne Widerstand verlief das wohl nicht. Denn der 25 Meter hohe Schornstein der Dampfmühle überragte "sehr zum Mißfallen des Kirchenvorstandes" das benachbarte Kirchenschiff, wie der Osterather Chronist Theodor Holzschneider vermerkte. Vorher war das Gebäude zwar auch schon ein stattliches Wohn- und Geschäftshaus des Getreidehändlers, Müllers und Bäckers Johann Abels, fiel aber in der Höhe nicht besonders auf. Diese und die weiteren Angaben zur Geschichte der Dampfmühle und des Wohnhauses bis 1983 basieren auf der unten angegebenen Literatur:
Johann Abels war bereits Pächter der Windmühle an der Willicher Straße, die allerdings infolge ihres Alters (urkundlich vermerkt sind über 500 Jahre) sehr reparaturbedürftig war. Die Gemeinde St. Nikolaus, Eigentümerin der alten hölzernen Bockwindmühle am Ortsrand, beschloss den Umbau der Mühle zu der noch heute als Denkmal bestehenden Turm-Windmühle und verpachtete diese an einen Mühlenpächter von außerhalb. Johann Abels hingegen setzte mehr auf eine "zukunftsträchtigere Dampfmühle" und begann mit deren Betrieb direkt neben der Kirche im Jahr 1883. 10 Jahre später war ein neuer Dampfkessel erforderlich. Weil "Rauch, Ruß und Flugasche" die Bewohner und die Landwirtschaft störten, wurden schon damals zahlreiche Auflagen zum Schutz der Umwelt erlassen. Weiter führen Marie-Sophie Aust und Johannes Herbrandt (s. Literaturangaben) aus: "Die Dampfmühle, die witterungsunabhänig arbeitete, war von vorneherein im Vorteil, besonders in den windstillen Sommermonaten. Schon im Bericht vom 31. März 1884 wird auf diese Tatsache hingewiesen und außerdem vermerkt, dass Johann Abels bessere Kontakte zur lokalen und auswärtigen Kundschaft hatte als der fremde Mühlenpächter der Windmühle." Nach einem Bericht des Bürgermeisters von Osterath vom 17. Juni 1912 arbeitete die Dampfmühle "schon seit längerer Zeit" nicht mehr. Der Umbau der Gebäude zu Wohnzwecken sei vorgesehen. "So geschah es denn auch. Aus den Räumen der Dampfmühle entstanden die Häuser Kirchplatz 3 und 5 neben dem alten Abels`schen Wohnhaus, die bis zum Verkauf und dem Beginn der Sanierungsarbeiten 1983 als Wohnungn genutzt wurden."
Mit dem Jahr 1983 begann für den Gebäudekomplex eine neue Epoche mit neuer gewerblicher und zugleich kultureller Nutzung: "Das Buch- und Kunstkabinett Mönter". Konrad Mönter, der ehemalige Banker und jetzige Buchhändler, widmete sich zunächst der Instandsetzung des verfallenen Abelschen Wohnhauses. Nach fünfjähriger Standortprüfung integrierte er dann die zwei angrenzenden, ebenfalls verfallenen Häuser zum Gesamtensemble "Kulturtreff Alte Dampfmühle".
Der Innenhof wird als Skulpturenhof genutzt. Das Gittertor zu diesem Hof wurde von dem Osterather Bildhauer Will Brüll gestaltet. "An dem schlichten Rollgitter aus Vertikalstäben brachte er gebogene Edelstahlrechtecken unterschiedlicher Größe in lockerem Rhythmus an. Sie wecken Assoziationen an wirkbelnde Blätter, können hier aber auch als Anspielung auf Buchseiten gedeutet werden, entsprechend der Funktion des Kulturzentrums als Buchhandlung, Antiquariat und Galerie." (Margot Klütsch, S. 79)
Wer die Buchhandlung durch die alte Toreinfahrt betritt, liest zu seinen Füßen die aufmunternden Worte des griechischen Philosophen Sokrates: "Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden". Von oben begrüßt ihn die Eule der griechischen Göttin Minerva, das Symbol für Klugheit und Weisheit. An der Fassade sind oberhalb der Fenster und der Tür links des Eingangs (Alte Dampfmühle) Puttenköpfe als Dekor zu sehen. Rechts des Eingangs (Galerie) brachte in "Anspielung auf die Puttenköpfe...Susanne Themlitz ..insgesamt acht Tonköpfe an. Von Nahem entpuppen sie sich als merkwürdige und unheimliche Gesichter. Die portugiesische Künstlerin gibt ihre eigene ironische Antwort auf die Dekorfreude der Gründerzeit. Den trivialisierten lieblichen Engelköpfen stellt sie eigentümlich verformte Gesichter gegenüber. Sie unterläuft damit gängige Vorstellungen von Kunst und Ästhetik." (Margot Klütsch, S.80)
Die ehemalige Dampfmühle wurde schnell zu einer etablierten Buchhandlung und zu einem kulturellen Zentrum von überregionaler Bedeutung. Veranstaltungen mit mehr als 160 Gästen, wie z.B. eine Lesung des Bürgerrechtlers und späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck im Februar 2011, müssen aus Platzmangel auch mal in die Ev. Kirche vor Ort ausweichen.
Die 30-jährige Arbeit mit Büchern, Kunst und Kultur zeigt, dass Kulturbetrieb und Geschäftssinn sich nicht ausschließen müssen, wie häufig zu hören ist. Auch die Ministerpräsidentin von NRW Hannelore Kraft hob diese Verbindung in ihrer Gratulation zum 30-jährigen Jubiläum hervor. Sie schreibt: "Die Liste der Autorenveranstaltungen liest sich wie ein Who is Who der Gegenwartsliteratur". Presse und Rundfunk berichteten ausführlich über das Jubiläum.
Über das reichhaltige Angebot an kulturellen Veranstaltungen informierte die Webseite des Buch- und Kunstkabinett Mönter.
Auf die ehemalige Osterather Dampfmühle macht die Rheinische Post im März 2016 in ihrem Beitrag über die Mühlen-Radtour durch Meerbusch aufmerksam. In ihrer Reihe "Heimat erleben" erinnert sie im Oktober 2016 mit mehreren historischen und aktuellen Fotos daran, wie das denkmalgeschützte Gebäude einschließlich Skulpturen-Hof zu einem Kulturgut Meerbuschs und der Region wurde. Immer wieder wird in der Lokalpresse darauf hingewiesen, dass ein Denkmal, wenn es kulturell genutzt und mit Leben gefüllt wird, kein vergessenes oder gar verstaubtes Denkmal ist (s. z.B. Rheinische Post vom 3. November 2017).
Lit.:
Marie-Sophie Aust und Johannes Herbrandt, Die Dampfmühle in Osterath, eine Zusammenstellung der Quellen aus dem Stadtarchiv Meerbusch - Acta Specialia betr. Die Mahlmühle von Joh. Abels, Stadtarchiv Meerbusch, Bestand Osterath 469
Margot Klütsch, Meerbuscher Kunstwege. Kunstwerke und Denkmäler im Stadtbild, Düsseldorf 2010)
Lage: Meerbusch-Osterath, Kirchplatz 1 (das anschließende Gebäude mit den Ausstellungsräumen steht nicht unter Denkmalschutz
Denkmalliste: Nr. 115
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