Fachwerkhaus "Bockstation"
In der offiziellen Denkmalliste der Stadt heißt es zu diesem wohl ältesten Haus in Osterath lapidar: "Eingeschossiges Fachwerkhaus mit Walmdach, ursprünglich im 17. Jahrhundert errichtet. 1965 neu aufgebaut. Das Haus ist erhaltenswert wegen seiner Gestaltung und für eine bestimmte Technik des Hausbaues. Es dokumentiert die frühere Besiedlung Osteraths und ist eines der wenigen Fachwerkhäuser in Meerbusch".
Mehr zur Geschichte, zur Technik des Hausbaus und zur Besonderheit erfährt man, wenn man in die leider nicht mehr aufgelegte Broschüre von 1974 "Baudenkmäler in Meerbusch" schaut: Das ursprüngliche Gebäude stammt aus der Zeit des 30jährigen Krieges. "Es lag genau an dem alten Weg, der von den Streithöfen (Anm.: zwischen Willich und Osterath) über Osterath nach Kaiserswerth führte. Von diesem Weg sind nur noch kleine Teile erhalten, da er beim Bau der K-Bahn-Trasse 1897 weitgehend beseitigt wurde". Vielleicht war es eine Herberge, eine Station zum Wechseln der Pferde oder ein "Försterhaus inmitten der großen Wälder ringsum. Der Name Bockstation entstand dadurch, dass der Ziegenbock der Gemeinde Osterath hier bis zum Jahre 1940 gehalten wurde." Es handelt sich bei dem Fachwerkhaus um einen sog. "Ständerbau" mit 5 Eichenständern, die das gesamte Haus tragen. Neben dem Haus befand sich ein Ziehbrunnen, wie aus dem Foto von 1957 noch zu erkennen ist. Der Brunnenrand ist noch erhalten.
Bis 1964 bewohnte das Haus die Familie Hüsgen. Danach kauften es der Maler Hans Körholz, Schüler von Ewald Mataré und Lehrbeauftragter am Görresgymnasium in Düsseldorf, und seine Frau. Sie ließen das verfallene Fachwerkhaus abreißen und bauten es in den Jahren 1965/66 von Grund auf und denkmalgerecht wieder auf. Die Osterather Bürger befürchteten schon, dass das Haus dem weiteren Verfall bzw. dem Abriss ausgeliefert werde. "Das war der Zeitpunkt, bei dem nicht nur bei der Verwaltung in Osterath, sondern auch beim Landeskonservator in Bonn und beim Bauherrn das Telefon Sturm läutete" (Rheinische Post, Kreis Kempen, 11. März 1967). Wegen der Besonderheit des Baus als Beispiel für den seltenen "Fünfständerbau" am Niederrhein schlug der Landeskonservator vor, das Haus abzureißen und die einzelnen Teile in das Freilichtmuseum in Kommern (Eifel) zu bringen. Dort wäre es dann historisch getreu und vollständig wieder aufgebaut worden. Der Bauherr setzte jedoch seinen ganzen Ehrgeiz daran, das Haus selbst von Grund auf denkmalgerecht an Ort und Stelle wieder aufzubauen, so dass die Presse schließlich berichten konnte: "Bockstation prangt in neuem Glanz". In dem Artikel wird rückblickend auf die fast zweijährige Zeit der Restaurierung und des Wiederaufbaus das gute Zusammenspiel von Bauherrn (Ehepaar Körholz), Architekt (Rudolf Küppers, Neuss) und Handwerk (Zimmermeister Busch, Neuss) gelobt. Die Eichenständer, "die am oberen Rand zu beiden Seiten eine halbrunde Gabelung wie ein Kerzenleuchter haben", sowie das gesamte Holzwerk waren denkmalgerecht ohne Nagel wieder zusammengefügt und verbunden worden. Die morschen Teile waren durch z.T. über 500 Jahre altes Eichenkernholz aus Hessen ersetzt worden. Das alte Fachwerkhaus hatte wieder sein früheres Aussehen an historischer Stelle erhalten.
Für die Innengestaltung hatte das Ehepaar Körholz weitgehend freie Hand. Es entstand eine repräsentative Wohnhalle mit Blick auf die gesamte Konstruktion des Ständerbaus. Das Obergeschoss diente dem Künstler als Atelier. Von der Empore aus hat man den Blick in den Wohnraum und von dort den freien Blick zurück bzw. bis zum Dach.
Das unter Denkmalschutz stehende Fachwerkhaus "Bockstation" in Osterath ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie durch Privatinitiative ein Denkmal von Grund auf restauriert, zum Wohnen in der Gegenwart genutzt und als Kulturerbe für die Zukunft gerettet worden ist.
Eine Ziegenbockstation gab es auch in der Streithofer Honschaft (H=unterste Verwaltungseinheit)zwischen Osterath und Willich, die erst 1959 aufgegeben wurde. In beiden Fällen - in Osterath wie auch in Willich - hatte sich wegen der rückläufigen Anzahl von Ziegen und Milchschafen eine solche Station offensichtlich nicht mehr gelohnt.
Die gelegentliche Berichterstattung in der lokalen Presse über die historische "Bockstation" in Osterath trägt mit dazu bei, dass das Denkmal in der Erinnerung bleibt. So z.B. im Oktober 2016 anläßlich des Eigentümerwechsels: Viele historischen Details waren erhalten geblieben. Energetisch war einiges investiert worden. Ein Denkmal wurde zukunftsfest gemacht (Rheinische Post 12.10.2016). Oder im Februar 2019, als sie ihr Gespräch mit den Bewohnern des Fachwerkhauses unter die Überschrift stellte: "Modernes Wohnen im alten Denkmal" (Rheinische Post 6.2.2019).
Lage: Meerbusch-Osterath, Goethestr. 50
Liste: Nr. 111
Lit.:
Walther Föhl: Die Bockstationen in Willich und Osterath, in: Heimatbuch des Kreises Kempen-Krefeld 1972, 23. Folge, Kempen 1971, S. 154-155
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